Sonntag, 27. November 2005
Der Verfolger (Julio Cortázar)
yuki, 17:30h
In der Erzählung "Der Verfolger" aus dem Jahre 1959, behandelt Cortázar die Beziehung zwischen Saxophonist Johnny Carter und dessen Biographen Bruno. Der Name Johnny Carter ist allerdings nur ein Pseudonym für den Jazzmusiker Charlie Parker (1920 - 1955), dessen letzten Jahre sozusagen als Vorlage für dieses Buch dienten. Es lassen sich viele Paralellen zu Parkers wirkliche Leben finden, trotzdem ist "Der Verfolger" mehr oder weniger Fiktion und sollte nicht mit einem biografischem Werk verwechselt werden.
Johnny Carter ist ein genialer Musiker. Er durchbricht die Grenzen des traditionellen Jazzs, improvisiert wie der Teufel und hasst es sich an Routinen und Vorgaben zu halten. Doch trotzdem geht es bergab mit ihm. Seine Marihuana Sucht treibt ihn anscheinend mehr und mehr in den Wahnsinn. Er verliert sein Zeitgefühl, fackelt Hotelzimmer ab, zerstört desöfteren - anscheinend grundlos - seine Instrumente und halluziniert. Selbst sein Freund Bruno, der dessen sehr lukrative Biografie verfasst hat, versteht ihn nicht mehr. Allerdings ist er der Einzige, der ernsthaft zuhört, wenn Carter wiedereinmal im Fieberwahn - anscheinend sinnlos - daherschwafelt und von "Feldern voller Urnen" oder "15 Minuten die innerhalb 1 1/2 Minuten geschehen" erzählt. Verzweifelt versucht Bruno über seinen Freund einen Zugang zu dessen außergewöhnlicher Musik zu finden, was er mehr oder weniger als seine Pflicht ansieht, da er ja Carters Kritiker & Biograf ist. Dabei merkt Bruno nicht, dass er Carters einziger wirklicher Vertrauter ist und was er ihm wirklich mitteilen will. Carter offenbart Bruno nämlich mit jedem dieser Gespräche immer wieder sein eigenes Ich - seine Seele - mit all ihrer zerstörerischen Kraft und dem Wahnsinn der tagtäglich Carters Kopf weiter zu durchdringen scheint. Allerdings gibt Bruno den Inhalten dieser Gespräche kaum Gewicht und verliert kein Wort über Carters fast schon schizophrenen Irrsinn in seiner Biografie, obwohl genau das es ist was Carter sich eigentlich wünscht. Verzweifelt und unverstanden spielt Carter weiterhin Saxophon, immer wieder auf der Suche nach der künstlerischen Extase in der Musik, die ihn sein Alltagsleben vergessen lässt, doch ihn jedesmal auch näher an den Wahnsinn zu bringen scheint. Mit gemischten Gefühlen beobachtet Bruno den Untergang seines Freundes. Hin- und Hergerissen weiss Bruno nicht, ob er Carter retten oder ihn weiterspielen lassen soll. Einerseits will er seinen Freund nicht verlieren, andererseits würde dies bedeuten, dass Carter aufhören müsste zu spielen und dazu kann sich Bruno als Kritiker, der Carters Musik verehrt, auch nicht überwinden. Ein Teufelskreis.
Julio Cortázar wurde 1914 in Brüssel geboren und starb 1984 in Paris. Er war ein argentinischer Schriftsteller und vertrat in seinem Heimatland den Surrealismus. Er ist auch für seine politischen Aktivitäten bekannt, so unterstützte er z.B. die kubanische Revolution. Cortázar ist u.A. für seinen eindrucksvollen Gebrauch von Sprachtechniken in seinen Werken bekannt. Dies bemerkt man auch in "Der Verfolger", wo Cortázar z.B. mitten im Satz vom Imperfekt ins Präsens wechselt oder komplette Passagen plötzlich im Futur schreibt. Das ist nicht falsch, sondern liest sich ziemlich lebendig und macht Spaß. Allerdings macht nicht nur die Form von Cortázars Erzählung Spaß, sondern auch dessen Inhalt. "Der Verfolger" überzeugt durch seine psychisch ausgefeilten Charaktere und dessen Dialoge, aber besonders durch Carters Monologe, die von einem Wahnsinnigen selbst geschrieben sein könnten. Gleichzeitig befindet sich aber auch ein Fünkchen Wahrheit, ein Stück Vernunft in Carters Monologen und genau in diesen Momenten, in denen der Leser für einen kurzen Moment - ähnlich wie Bruno in der Erzählung - zu begreifen scheint worum es Carter geht, liegt die Faszination und auch das Unheimliche des Buches. Unheimlich, weil der Verrückte vielleicht doch nicht verrückt ist. Ein weiterer Reiz des Buches liegt in der Beziehung zwischen Carter und Bruno, die grundverschiedene Persönlichkeiten besitzen. Während Carter ein Freigeist ist, der sich auslebt, Drogen konsumiert, seine Frau & Kinder in Amerika sitzen lässt und in Frankreich fremd geht, ist Bruno eher prüde, sorgt sich um seine kranke Frau und verachtet die Zügellosigkeit.
Da das Buch mit knapp 100 Seiten relativ kurz ist, ist ein 'Reinschauen' durchaus zu empfehlen. Es liest sich gut und die Geschichte bleibt durchweg interessant und schreitet schnell voran, so dass Langeweile kaum aufkommen kann. Einziger Kritikpunkt: Charlie Parker war in Wirklichkeit abhängig von Heroin und nicht von Marihuana. Diese Änderung scheint mir ein wenig lächerlich, da man so die starken Folgen der Drogen an der Person Parker aka Johnny Carter in der Erzählung eher nicht nachvollziehen kann. Das ist allerdings auch eher nebensächlich.
Johnny Carter ist ein genialer Musiker. Er durchbricht die Grenzen des traditionellen Jazzs, improvisiert wie der Teufel und hasst es sich an Routinen und Vorgaben zu halten. Doch trotzdem geht es bergab mit ihm. Seine Marihuana Sucht treibt ihn anscheinend mehr und mehr in den Wahnsinn. Er verliert sein Zeitgefühl, fackelt Hotelzimmer ab, zerstört desöfteren - anscheinend grundlos - seine Instrumente und halluziniert. Selbst sein Freund Bruno, der dessen sehr lukrative Biografie verfasst hat, versteht ihn nicht mehr. Allerdings ist er der Einzige, der ernsthaft zuhört, wenn Carter wiedereinmal im Fieberwahn - anscheinend sinnlos - daherschwafelt und von "Feldern voller Urnen" oder "15 Minuten die innerhalb 1 1/2 Minuten geschehen" erzählt. Verzweifelt versucht Bruno über seinen Freund einen Zugang zu dessen außergewöhnlicher Musik zu finden, was er mehr oder weniger als seine Pflicht ansieht, da er ja Carters Kritiker & Biograf ist. Dabei merkt Bruno nicht, dass er Carters einziger wirklicher Vertrauter ist und was er ihm wirklich mitteilen will. Carter offenbart Bruno nämlich mit jedem dieser Gespräche immer wieder sein eigenes Ich - seine Seele - mit all ihrer zerstörerischen Kraft und dem Wahnsinn der tagtäglich Carters Kopf weiter zu durchdringen scheint. Allerdings gibt Bruno den Inhalten dieser Gespräche kaum Gewicht und verliert kein Wort über Carters fast schon schizophrenen Irrsinn in seiner Biografie, obwohl genau das es ist was Carter sich eigentlich wünscht. Verzweifelt und unverstanden spielt Carter weiterhin Saxophon, immer wieder auf der Suche nach der künstlerischen Extase in der Musik, die ihn sein Alltagsleben vergessen lässt, doch ihn jedesmal auch näher an den Wahnsinn zu bringen scheint. Mit gemischten Gefühlen beobachtet Bruno den Untergang seines Freundes. Hin- und Hergerissen weiss Bruno nicht, ob er Carter retten oder ihn weiterspielen lassen soll. Einerseits will er seinen Freund nicht verlieren, andererseits würde dies bedeuten, dass Carter aufhören müsste zu spielen und dazu kann sich Bruno als Kritiker, der Carters Musik verehrt, auch nicht überwinden. Ein Teufelskreis.
Julio Cortázar wurde 1914 in Brüssel geboren und starb 1984 in Paris. Er war ein argentinischer Schriftsteller und vertrat in seinem Heimatland den Surrealismus. Er ist auch für seine politischen Aktivitäten bekannt, so unterstützte er z.B. die kubanische Revolution. Cortázar ist u.A. für seinen eindrucksvollen Gebrauch von Sprachtechniken in seinen Werken bekannt. Dies bemerkt man auch in "Der Verfolger", wo Cortázar z.B. mitten im Satz vom Imperfekt ins Präsens wechselt oder komplette Passagen plötzlich im Futur schreibt. Das ist nicht falsch, sondern liest sich ziemlich lebendig und macht Spaß. Allerdings macht nicht nur die Form von Cortázars Erzählung Spaß, sondern auch dessen Inhalt. "Der Verfolger" überzeugt durch seine psychisch ausgefeilten Charaktere und dessen Dialoge, aber besonders durch Carters Monologe, die von einem Wahnsinnigen selbst geschrieben sein könnten. Gleichzeitig befindet sich aber auch ein Fünkchen Wahrheit, ein Stück Vernunft in Carters Monologen und genau in diesen Momenten, in denen der Leser für einen kurzen Moment - ähnlich wie Bruno in der Erzählung - zu begreifen scheint worum es Carter geht, liegt die Faszination und auch das Unheimliche des Buches. Unheimlich, weil der Verrückte vielleicht doch nicht verrückt ist. Ein weiterer Reiz des Buches liegt in der Beziehung zwischen Carter und Bruno, die grundverschiedene Persönlichkeiten besitzen. Während Carter ein Freigeist ist, der sich auslebt, Drogen konsumiert, seine Frau & Kinder in Amerika sitzen lässt und in Frankreich fremd geht, ist Bruno eher prüde, sorgt sich um seine kranke Frau und verachtet die Zügellosigkeit.
Da das Buch mit knapp 100 Seiten relativ kurz ist, ist ein 'Reinschauen' durchaus zu empfehlen. Es liest sich gut und die Geschichte bleibt durchweg interessant und schreitet schnell voran, so dass Langeweile kaum aufkommen kann. Einziger Kritikpunkt: Charlie Parker war in Wirklichkeit abhängig von Heroin und nicht von Marihuana. Diese Änderung scheint mir ein wenig lächerlich, da man so die starken Folgen der Drogen an der Person Parker aka Johnny Carter in der Erzählung eher nicht nachvollziehen kann. Das ist allerdings auch eher nebensächlich.
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